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Teil 3: Die Nachkriegsentwicklung des Dorfes Nieder-Gemünden

Zusammenfassung von Bernd Reitz

Die ersten beiden Teile dieser Schriftenreihe wurden mit den überlieferten Daten bis zum 2. Weltkrieg  beendet. Nieder-Gemünden wurde durch vier große Bombenangriffe im Krieg in Mitleidenschaft gezogen, unterhalb des alten Hochbehälters war lange noch das sogenannte „Bombenloch“ zu sehen.

Der dritte nun folgende Teil greift die politische und wirtschaftliche Entwicklung Nieder-Gemündens vom 2. Weltkrieg bis in die Gegenwart auf.

Während  bisher überwiegend auf überlieferte schriftliche Informationen zurückgegriffen wurde kann in dieser Darstellung auch auf Zeitzeugen zurückgegriffen werden, dafür ist der Autor ausgesprochen dankbar.

Wie war die politische Entwicklung im Kontext der gesamten Entwicklung?

Zwischen 1945 und 1949 war in Deutschland die Phase zwischen dem NS-Staat und der Gründung der zwei deutschen Staaten. Es herrschten Not und Elend und der Hungerwinter 1947 ist auch wegen seiner katastrophalen Ernährungslage bekannt. Die Lebensmittelversorgung war schlecht. Bis zum 5. Juni 1946 war es in Amerika verboten, Care-Pakete nach Deutschland zu senden. Dies gehörte u.a. zur Bestrafungsphilosophie der US-Truppen.

Um je nach Schwere der Arbeit Rationen zuzuteilen, gaben die alliierten Besatzungsmächte Lebensmittelkarten aus.

Erst ab dem 3. April  1948 griffen die ersten Maßnahmen des Marshallplanes zum Wiederaufbau.

Folgende Informationen liefert uns hierzu  die Chronik Nieder-Gemündens:

„Trostlos sieht es bei uns aus, ganze Völkerwanderungen kommen aus den Städten und vertauschen oft das letzte Hemd um die notwendigen Lebensmittel zu erhalten. Um das Elend noch zu vergrößern strömen mit Beginn des Monats Juni 1946 große Scharen heimatvertriebener Deutscher aus den Gebieten jenseits von Oder-Neiße und dem Sudetenland in unser Dorf. All diese unglücklichen Menschen müssen ordnungsgemäß anständig untergebracht werden.“ Soweit die Chronik.

Die politische Grundlage für die Vertreibung aus Polen, der Tschechoslowakei und anderen Ländern  war durch das Potsdamer Protokoll der Siegermächte vom 2. August 1945 geschaffen. Hier wurde in Artikel XIII anerkannt:

„Die Überführung der deutschen Bevölkerung…, die in diesen Ländern zurückgeblieben war, …nach Deutschland durchgeführt werden muss“.

Es ist für uns heute nicht mehr vorstellbar, dass nach dem 2. Weltkrieg ca. 12 Mio. deutsche und deutschsprachige Bewohner aus Staaten in Ost-,  Ostmittel- und Südosteuropa gezwungen waren, ihre Heimat zu verlassen.

Vor diesem Hintergrund kommt es auch in Nieder-Gemünden bis 1948 zur Verdoppelung der Einwohnerzahl auf annähernd 1000 Einwohner.

Zum Vergleich: Am 31.12.2000 waren 868 Menschen und am 31.12.2019 654 Menschen in Nieder-Gemünden wohnhaft.

Zitat aus der Chronik: „Ein Volk wird demoralisiert bis in die Familie. Sitte und Moral verschwinden vor den Zuständen der Nahrungsversorgung in den oft unerträglichen Wohnraumverhältnissen. Dazu kommt die Einrichtung von Spruchkammern, die innerhalb der Bevölkerung neue Hassgrenzen errichten.“

Die Spruchkammerverfahren waren  nach Ende des Nationalsozialismus Verfahren, mit dem Ziel der Entnazifizierung in den drei westlichen Besatzungszonen.

Wenden wir uns nun der anfänglichen politischen Entwicklung zu:

Der Chronist kommt zu folgendem Schluss:

„Rückblickend auf die Jahre 1945 bis 1948 darf gesagt werden, dass es für die Mehrzahl des  Deutschen Volkes Jahre von großem Elend waren, die durchschritten werden mussten…. und wenn wir uns fragen, wieso der Wechsel in der Politik der Alliierten uns gegenüber eingetreten ist, so können wir im Augenblick festhalten, dass es für unser Volk von großem Vorteil war. Ob das weiterhin der Fall sein wird, mag dahingestellt sein“.

Und in diesem Umfeld; Zitat:

„Musste auf alliierten Befehl gewählt werden. Unsere Gemeinde wählte also in „freier“ u. geheimer Wahl zum ersten Male nach dem Zusammenbruch am 2o. Januar 1946 seine Gemeindevertreter, den Gemeinderat.“

Zuvor stellte der Chronist fest: „Liest man in der Demokratie die Wahlordnungen durch, so kann man mit Fug und Recht behaupten, dass alles andere da ist, nur keine Freiheit und demokratische Gleichheit.“

Aus heutiger Sicht kann man sagen, die Demokratie machte sich auf, um eine Demokratie zu werden. Einfach hatte sie es dabei nicht.

Bis im Frühjahr 1946 war Otto Herbst Bürgermeister. Der Kaufmann Karl Becker war der 1. Bürgermeister, der durch den Gemeinderat gewählt wurde; nach zweijähriger Amtszeit  löste  1948 Adolf Fuchs ihn ab.

Der Volksentscheid für die hessische Landesverfassung fand am 1. Dezember 1946 statt. Die 1. Wahl der Kreistagsabgeordneten für den Kreis Alsfeld war am 28. April 1948. 

Ab 1950 war dann Bürgermeister Wittich im Amt. Dieser wurde durch Friedrich Wilhelm Schäfer Anfang der fünfziger Jahre abgelöst. Mit Friedrich Wilhelm Schäfer erhielt Nieder-Gemünden einen Bürgermeister, dem die Bürger Nieder-Gemündens viel zu verdanken haben und auch heute noch davon partizipieren. Im November 1968 wurde er zum 5. Mal wiedergewählt.

Unter Bürgermeister Schäfer nahm Nieder-Gemünden einen beachtlichen wirtschaftlichen Aufschwung, Firmengründungen fanden statt, der Schulneubau  fiel in diese Ära, das Vereinsleben und die Feuerwehr wurden von ihm maßgeblich positiv begleitet, die Infrastrukturentwicklung  (Wasserversorgung, Straßenausbau), die Ausweisung von Neubaugebieten sind wesentliche Ergebnisse seines Tuns. Für die Jugend hatte er ein offenes Ohr; bereits  1953 hatte Nieder-Gemünden ein Jugendparlament. Es tagte zum ersten Mal im März 1953 und beschäftigte sich mit dem Thema: „Was muss der angehende Staatsbürger von einer Partei wissen“.

Der Jugendbürgermeister war Herbert Trumpler.

Für die Burschenschaft „Edelweiß“ war Bürgermeister Schäfer  ein guter Ansprechpartner, er hatte maßgeblichen Einfluss,  dass auch heute noch die Burschenschaft die Kirmes abhält. Nach Jahren der Saalkirmes folgte ab den 1970 er Jahren die jährliche Zeltkirmes.

Als 1. Bürgermeister der Gemeinde Gemünden/Felda  (ab 1972) ist Friedrich Wilhelm Schäfer ebenso in die Geschichte eingegangen.

Er war auch über den Ort Nieder-Gemündens hinaus wirkend. Heute noch ist er als exzellenter Politiker, bodenständiger Netzwerker und brillanter Redner in Erinnerung. Er war am 7.12.1913 in Michelstadt geboren und ist am 20.07.1979 verstorben.

In die Amtszeit Bürgermeister Schäfers fiel auch die Genehmigung zum Führen einer Flagge. Mit Verleihungsurkunde vom 7. Oktober 1959 wurde Nieder-Gemünden durch den Hessischen Innenminister die Genehmigung zur Führung einer Flagge erteilt. Die Originalflaggenbeschreibung ist:

„Auf der breiten weißen Mittelbahn des rot-weiß-roten Flaggentuches das Gemeindewappen“.

Zuvor war  1958 Nieder-Gemünden das Wappen verliehen worden. Der Ausführung liegt das Wappen des alten Ziegenhainer Grafengeschlechtes -der Ziegenadler- zugrunde, dem einstmals Nieder-Gemünden als Lehen gehörte.

Bevor wir uns der wirtschaftlichen Entwicklung zuwenden eine Notiz zur Gesundheitsversorgung:

Bereits am 1. April  1919  wurde in Nieder-Gemünden eine Krankenschwesterstation ins Leben gerufen, was von einem  fortschrittliches Denken zur damaligen Zeit zeugt.  

Nun zur wirtschaftlichen Entwicklung Nieder-Gemündens

Zur Erinnerung: Am 21. Juni 1948 war in (West)- Deutschland  die Währungsreform.

Während der Chronist Karl Erb (geboren am 1. Januar 1910; verstorben  am 8. Februar 1989) 1953 von einer einigermaßen ertragreichen Bodenbearbeitung berichtet, werden 657 Hektar von über 30 Milchbauern bewirtschaftet: Wie sehr sich dies verändert hat wird deutlich, noch aufgrund der Volkszählung 1987 verdienten 20 Personen ihren Lebensunterhalt in Nieder-Gemünden mit der Landwirtschaft, in 2020 werden in einem einzigen landwirtschaftlichen Betrieb noch Milchkühe gehalten.

Untermauert wird die landwirtschaftliche Bedeutung Nieder-Gemündens auch durch das Abhalten des Kreiserntedankfestes am 6. Oktober 1957.

Brot wurde von den meisten bäuerlichen Familien in den beiden Backhäusern gebacken. (Eines davon wich in dem Straßenausbau, das andere ist noch heute an seinem Platz und wird genutzt).

An dieser Stelle sei auch auf das Gefrierhaus verwiesen. In der Oberhessischen Zeitung  vom 1.3. 1960 war zu lesen: „Der Vorstand der Gefriergemeinschaft ließ die 70 Fächer verlosen, wobei zwei Fächer Vorfroster waren.….nun können zur Freude der Hausfrauen genussversprechende Teile, die abgewogen aus den Händen der Hausmetzger kommen, in die Gefrieranlage wandern.“

Seit den 1980 er Jahren dient das Gebäude der Burschenschaft „Edelweiß“ als Jugend- und Vereinsheim.

Mit der landwirtschaftlichen Entwicklung Nieder-Gemündens ist in einem Zug die Molkerei zu nennen. Sie hat in Nieder-Gemünden exakt 100 Jahre Geschichte geschrieben.

Sie wurde 1891 von 23 Landwirten als Genossenschaftsdampfmolkerei für 50.000 Mark gegründet. 1952 hatte die Molkerei 603 Mitglieder, dazu noch ein paar Zahlen:

1949: 3.626.959 kg Milchlieferungen

1952: 6.074.644 kg Milchlieferungen

Diese Zahlen steigerten sich bis zur höchsten Jahresanlieferung von 36 Mio. Litern, sie stammten aus 22 Orten der Umgebung. Bei voller Kapazitätsauslastung waren in den Spitzenjahren 36 Personen beschäftigt.

Folgende Milchprodukte wurden hergestellt: Saure Sahne, Buttermilch, Schichtkäse, Speisequark, Handkäse, Sauermilchquark und Joghurt. In 1991  (nach der Fusion mit der Vogelsbergmilch eG Alsfeld) wurde der Betrieb in den Gebäuden vollständig eingestellt. Bis dahin konnte man in einer Verkaufsstelle auch die o.g. Produkte noch erwerben.

Es ist festzustellen, die Nieder-Gemündener Bevölkerung hat sich immer mit der Molkerei identifiziert, auch wenn der schwarzqualmende Schornstein ein Wäscheaufhängen in den Gärten mitunter verhinderte, da Rußpartikel die Arbeit des Wäschewaschens zu Nichte machte. Jahrelang erinnerte man sich in Nieder-Gemünden an den Fernsehbericht im abendlichen Regionalprogramm des Hessischen Rundfunks aus 1961;  die modernste und vorbildlichste  Molkerei Hessens war von Staatssekretär Dr. Tröscher empfohlen worden. 

Der weitere Fortgang des Firmengeländes  wird aktuell mit Interesse verfolgt, nach einem kurzen Intermezzo durch ein Museum werden die Gebäude in 2020 hergerichtet und ein Autohandel betrieben. Da auch hier neue Arbeitsplätze und Wohnungen entstehen, besteht die Zuversicht auf eine weitere positive Entwicklung im Ortsbild.

Der Bedeutung des Bahnhofes und der Eisenbahn wird ein gesonderter Bericht  im Rahmen der Verkehrswege gewidmet.

Dies umso mehr, dass sich um den gesamten Bahnhof in den Nachkriegsjahren der komplette Ortsteil „Bahnhof“ entwickelte. So wurde im Jahr 1954 hier die Kanalisation gebaut. 1906 war in Nieder-Gemünden die Wasserversorgung errichtet worden.

Die Wasserversorgung war ebenso immer wieder ein Thema in Nieder-Gemünden, der Hochbehälter, nahe der Schule, wurde durch Wasser von einer Oberflächenquelle von dem Bereich Grubenbach (Gemarkung Nieder-Ohmen) befüllt, dieser stieß oft an seine Kapazitätsgrenzen, nahezu regelmäßig lief er am samstäglichen Badetag leer. Die extra dafür erworbene Pumpe, vergraben auf dem Molkereigelände, war eine Fehlentscheidung, heute würde man sagen: Eine politische Posse.

Gegenwärtig wird die Wasserversorgung zentral über die Gemeinde Gemünden sichergestellt.   

Wenn sich in Nieder-Gemünden der Nachkriegsentwicklung zugewandt wird,  ist der Zigarrenhändler Österreich und der Büromöbelhersteller Tobro zu nennen. Die Anfänge der Fa. Tobro waren im Anwesen Österreich.

In den Räumen der Fa. Tobro wurden Büromöbel und moderne Hängeregistraturen hergestellt. Diese Registraturen waren bis in die 70er Jahre in Deutschland und in vielen Teilen Europas bekannt. Mit über 30 Arbeitnehmern war das Unternehmen neben der Molkerei der größte Arbeitgeber in Nieder-Gemünden. Heute sind zwei Firmen in dem Gebäude untergebracht:

Die Fa. BKM (BranchenKonzeptMobile; Eigentümer Bruno Weber) rüstet Fahrzeuge für den Lebensmittelbereich um. So werden u.a. Kantinenfahrzeuge und  Sonderfahrzeuge für den Kommunalbereich hergestellt. Derzeit beschäftigt das Familienunternehmen 5 Personen, das gesamte Firmengelände  wurde saniert und die Außenanlagen mit großem Aufwand wieder hergestellt.

In diesem Gebäudeensemble ist darüber hinaus  die Fa. Martin Equipment  (Inhaber Johann Martin) untergebracht. Als internationales Unternehmen ist es  im Maschinen-und Anlagenbau tätig. Es befindet sich auf stetigem Entwicklungskurs. Mit derzeit 15 Mitarbeitern ist es auf  Suche nach Ingenieuren und Technikern.

In 1953 schreibt der Chronist: „Drei Mann hatten Mut….“ Aus diesen Anfängen ist bis in diese Tage der größte Arbeitgeber erwachsen: Die Fa. Seipp und Kehl GmbH.

Die Firma Seipp und Kehl GmbH ist im Maschinenbau, in der Luft- und Raumfahrt sowie im KFZ-Zulieferbereich tätig. Mit ca. 80 Arbeitsplätzen, davon aktuell 11 Ausbildungsplätzen stellt das Unternehmen unter der Geschäftsführerschaft von Marc Schneider einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor, der weit über die Grenzen unserer Heimat bekannt ist, dar.

Mit der Präzisionsfertigung von Klein- und Mittelserien sagt das Unternehmen von sich: „ Präzision ist unsere Leistung.“

Wie prosperierend sich Nieder-Gemünden in den Nachkriegsjahren  entwickelte zeigt sich in einem Bericht aus der Oberhessischen Zeitung vom 7.7. 1953:

„Der Kreis Alsfeld zählt zum Notstandsgebiet und steht im Bereich des Arbeitsmarktbezirkes Gießen mit seiner Erwerbslosenziffer an der Spitze der oberhessischen Landkreise. Nieder-Gemünden aber hat keinen einzigen Erwerbslosen“. Ende des Zitats.

Nicht unerwähnt bleiben an  dieser Stelle die heute tätigen  Betriebe wie Landmaschinenhandel Klaus Wöll, Gaststätte Holzwurm, Friseur  Wilfried Schneider, Schreinerei Burkhard Feldmann, Elektrogeschäft Ewald Geißler, Z-Business Products und die  Hautpflegepraxis Sybille Aßmann.

Auch für Start Up Unternehmen ist Nieder-Gemünden eine Adresse. Mit der Fa. Venforce von  Sebastian Aschoff sind E-Procurement und DataCloud keine Fremdworte für das Dorf.

Derzeit errichtet der Nieder-Gemündener Unternehmer Frank Schmitt für seine Firma FMB (FlexibleMetallBearbeitung) im Gewerbegebiet eine neue Fertigungshalle. Erfreulich dabei ist, es handelt sich um eine Verlagerung des Firmensitzes. Das Unternehmen ist im Zulieferbereich für den Maschinenbau und im Stahlbau tätig. Der Umzug um die Osterzeit 2020  beinhaltet 13 Arbeitsplätze und einen Ausbildungsplatz.   

Eine Arzt-und Zahnarztpraxis, eine Apotheke (seit 22. Februar 2006)  und bis vor kurzem  eine Sparkasse und VR Bank (es existiert ein gemeinsam betriebener Geldautomat in 2020) runden das Wirtschaftsleben ab.

Mit großem Interesse wird in diesen Tagen darüber hinaus  der Neubau eines Lebensmittelversorgers verfolgt.

Erwähnenswert für die wirtschaftliche Entwicklung ist auch die Elektrizitätsgesellschaft Dicknertsmühle, diese wurde jedoch 1953 in einen Zweckverband mit den Gemeinden Burg-Gemünden, Bleidenrod und eben Nieder-Gemünden überführt. Näheres hierzu in dem noch folgenden Bericht über die Mühlen in Nieder-Gemünden.

In diesen zeitlichen Rahmen fiel auch der Bau einer Wäscherei, die in den Räumen des „Spritzenhauses“ Platz fand, dies war Richtung Rülfenrod (altes Feuerwehrgerätehaus).

Wenn die wirtschaftliche Entwicklung Nieder-Gemündens beleuchtet wird, so wäre diese unvollständig würde nicht über die (Gast)-Wirtschaften berichtet.

Es ist überliefert, Nieder-Gemünden hatte in 1953 fünf Gastwirtschaften. Wir erinnern uns an dieser Stelle an Pfarrer Münch, der das Trinkverhalten der Nieder-Gemündener bereits 1804 in den öffentlichen „Brandweinhäusern“ brandmarkte.

Die erwähnten 5 Gasthäuser waren:

·         Karl Becker IV, Gasthaus an der Feldabrücke

·         Karl Becker, „Ratswirtshaus“

·         Gasthaus Wilhelm Decher

·         Herbert Schlosser und

·         Otto Södler, Gasthaus zum Bahnhof.

In anderen Quellen wird auch auf einen „Eiskeller“ verwiesen, dieser befand sich im Bereich des Anwesens Fischer (Schüßler) in der Hohlstraße und spielte im Mittelalter für die Versorgung der Fuhrleute auf dem Weg zur „Abspann“ eine große Rolle. In diesem Anwesen war auch das Gasthaus Bünding, in dem 1756 die Kircheneinweihung gefeiert wurde (gesonderter Bericht im Mai).

Der Volksmund kennt auch heute noch das „Alte Brauhaus“, es handelt sich dabei um das Anwesen Rathausgasse 2.

Von den Gasthäusern sind auch in diesen Tagen den Nieder-Gemündenern noch einige in Erinnerung, wobei das „Ratswirtshaus“ die heutige Gaststätte „Holzwurm“ beherbergt.

Interessanterweise ist dieses Haus ursprünglich in Burg-Gemünden errichtet worden und wurde dann nach Nieder-Gemünden verbracht und in 1811 als „Ratswirtshaus“ neu aufgebaut.

Im Gasthaus Decher war der soziale und gesellschaftliche Mittelpunkt über viele Jahre. Der SV Nieder-Gemünden hatte dort sein Vereinsheim, die Kirmes fand im  angeschlossenen Saal (modernisiert und vergrößert 1955) statt, die Sektbar ist heute noch legendär. Jegliche Versammlungen der Vereine, der Politik, der Landwirtschaft und anderen Organisationen waren in diesem Saal. Familienfeiern rundeten das Bild ab.

Eine der größten Höhepunkte Nieder-Gemündens war das Feiern des 1200-jährigen Bestehens der selbständigen Gemeinde in 1970.

Die Zeitungen von damals: „Der Ort hatte sein Festtagskleid angelegt. Tausende von Zuschauern … sahen einen hervorragenden Abschluss von festlichen Veranstaltungen. Nieder-Gemünden bewahrt sich gutnachbarlicher Gemeinschaftsgeist. Der Festzug selbst übertraf alle Erwartungen“

Und dann kam der 23. Dezember 1971.

Dieser Tag geht als historischer Tag in die Geschichte ein. An diesem Tag nach Jahrhunderten dörflicher Eigenständigkeit und kommunaler Selbständigkeit wird im Rahmen der hessischen Gebietsreform  die Gemeinde Gemünden/Felda aus sieben Dörfern aus der Taufe gehoben. Noch im Sommer des gleichen Jahres war zu lesen, “Sechs Gemeinden schließen sich zu Nieder-Gemünden zusammen“, AAZ vom 9. August 1971.

Gemünden/Felda entstand nach vielerlei Diskussionen letztendlich auf dem Grenzänderungsvertrag vom Oktober 1971, dieser ist im Archiv der Gemeinde Gemünden hinterlegt.

Aus der vom 22. Dezember 1971 datierten und von Innenminister Bielefeld  unterzeichneten Urkunde verlas Landrat Kratz in der Gaststätte Decher am 23. Dezember 1971 die Worte: „Was hinter uns liegt ist vorbei, was kommt ist wichtig. Denken wir immer daran, dass wir mit Stolz auf unsere schmucken Dörfer blicken können. “

Anmerkung des Verfassers dieser Zeilen:

In Abwandlung der Worte von J.F. Kennedy:

Alle Bürger  Gemündens sagen heute mit großer Freude:

„Ich bin ein Gemündener“. Von J. F. Kennedy ist auch der Satz überliefert: Frage nicht was der Staat für dich tun kann; frage, was kannst du für den Staat tun.

In diesem Sinne bleibt die Hoffnung, in der kommenden Legislaturperiode in Nieder-Gemünden auch wieder einen Ortsbeirat zu haben.