Direkt aufrufen: Primäre Navigation | Sekundäre Navigation | Inhalt | Seitenleiste | Fußzeile



Aktuelles

Primäre Navigation




Teil 5 - Religion und Kirche

Zusammenfassung von Bernd Reitz

Die Flusstäler von Ohm und Felda waren schon in vorchristlicher Zeit stark besiedelt. Auf Grund der überlieferten Funde ist anzunehmen, dass auch die Zahl der Verehrungsstätten und heiligen Haine sehr groß war.

Diese vorchristlichen Kultstätten waren um die Amöneburg zu finden und dehnten sich in die Seitentäler des Beckens strahlenförmig aus. Hier begann nun sehr frühzeitig, bedingt durch den Verkehr über den Limes und nach dessen Zerstörung,  das Vordringen des Christentums und seine Auseinandersetzung mit den hier zusammengeballten heidnischen Glaubenskräften.

Es war nicht Bonifatius, der die Christianisierung voranbrachte sondern die iro-schottische Mission christianisierte in erster Linie weite Gebiete Deutschlands. Erst als die römische Kirche den eventuellen Verlust erkannte,  fand sie in Bonifatius die geeignete Persönlichkeit mit einem enormen Sendebewusstsein und Organisationstalent.

Aus unserer Umgebung sind folgende Daten bekannt:

Ehringshausen wird 1313 Pfarrei; 1577 werden als Filialen Rülfenrod und Oberndorf genannt. Nieder-Gemünden erhielt in 1227 einen Pfarrer, 1366 war der Graf von Ziegenhain Patron. 1577 werden als Filialen Otterbach, Hainbach, Ermenrod und Elpenrod genannt. Während 1467 Rülfenrod zu Ehringshausen kam wurde schließlich Ermenrod 1789 eigene Pfarrei.

Da im Jahre 1531 schon ein evangelischer Pfarrer in Nieder-Gemünden tätig war, ist davon auszugehen, dass die Reformation von Marburg ausgehend auch in unseren Dörfern Fuß gefasst hatte. Die Initiative hierzu erfolgte auf der Synode 1527 in Ziegenhain.

Nach Abschluss der Reformation musste der Staat das Erreichte schützen  und tat dies durch den Erlass von Kirchenordnungen, diese waren gleichzeitig Staatsordnungen. Im Jahr 1574 wurde von den vier Söhnen des verstorbenen Landgrafen Philipp von Marburg die „Hessische Kirchordnung“ erlassen, diese Ordnung findet sich in jedem Pfarrarchiv und war bis ins 18. Jahrhundert gültig. So gab es in Nieder-Gemünden sogar ein Kirchenzuchtstrafregister.

Wendet man sich dem 17. Jahrhundert zu, so ist an den 30-jährigen Krieg zu denken, an endloses Leid in den Dörfern, in diese Zeit fällt 1635 auch noch das Pestjahr; die Bauern waren Leibeigene des Fürsten und als Verwalter der Höfe bettelarm.

Bis 1602 gehörte Nieder-Gemünden zur Superintentur Alsfeld; und 1634 zum Konvent Grünberg; als Filialort versorgte Nieder-Gemünden auch den Ort Burg-Gemünden.

Wenn wir uns nun der Aufgabe stellen, die Geschichte der  evangelischen Kirche näher zu bringen, so tun wir dies auf Grundlage der mit Enthusiasmus und Kleinarbeit zusammengestellten Unterlagen und Quellen von Karl Erb. Auch der Schreiber der „Dorfchronik“ von 1857, Pfarrer August Friedrich Lotz, ist hier zu erwähnen.

Die heutige Kirche war 1756 vollendet. Dazu lagen  der zuständigen Baubehörde in Gießen  am 3. November 1755 die Zeichnungen vor.

Über dem Pfarrereingang  am Seitenportal finden wir die folgende Inschrift in Sandstein gehauen:

HOC TEMPLUM AEDEFICATUM ANNO MDCCLVI IOHANNE ECKHARDO RUPPIO PASTORE EXISTENTE; PAX INTRANTIBUS SALUS EXEUNTIBUS.

Die Übersetzung dazu lautet:

„Dieser Tempel wurde im Jahr 1756 von Johann Eckhardt Rupp, damaliger Pastor, erbaut.

Zum Frieden für die Eintretenden, zum Heil für die Herauskommenden.“

Eingeweiht wurde die  evangelische Kirche am 30. Oktober 1756, die dazugehörige Feier fand im heutigen Schüsslerschen Anwesen, dem ehemaligen Gasthaus Bünding, statt. Das Ratswirtshaus wurde erst in 1811  (heutige Gaststätte Holzwurm) errichtet.

Mit dem Neubau wurde auch die Neuregelung in Bezug auf die Kirchenstühle getroffen. Für den heutigen Leser dazu folgende Hintergrundinformation:

Heute betritt man die Kirche und setzt sich  an einen freien Platz. Dies war nicht immer so.

Dazu erläutert die Chronik von Pfarrer Rupp (Pfarrer von 1737 bis 1771), dem Erbauer der Kirche und vor dem Altar begraben:

„Mit den Kirchenstühlen wird’s also so gehalten, dass sie alle frei sind, die Kirchenstühle sollen unentgeltlich unter den Nieder-Gemündener verlost werden, wenn bemeldete Einwohner für ihre Familien noch eines anderen Standes benötigt wird, so ist er für ein Reichsthaler käuflich zu überlassen. Der Erlös ist zum Besten der Kirche“.

Später gab es noch Verfügungen, dass die „Mannstände“ die Hauptbühne gegenüber der Kanzel  waren, die Weibsstände waren die „Bänke“ unten. Auch für die Filialisten gab es gesonderte Plätze. Vieles hat sich im Laufe der Zeiten geändert.

Die Informationen zur evangelischen Kirche wären unvollständig, wenn nicht Pfarrer Friedrich Münch erwähnt würde.

Der in Nieder-Gemünden am 25. Juni 1799 geborene Sohn von Pfarrer Georg Münch, ging ab 1814 in Darmstadt zur Schule und studierte  sodann in Giessen, kehrte nach Nieder-Gemünden zurück und wurde ab 1825 hier Pfarrer. Eigentlich war sein ganzes Leben von der Sehnsucht nach Freiheit geprägt, er ist in einem Atemzug mit Georg Büchner  (1813-1837) zu nennen.

Das Motiv  der Verlockung eines freien Landes ließ ihn nicht ruhen, die Verhältnisse in Deutschland waren eng, intolerant und autoritär. Der Einzelne war unfrei, Landesherren herrschten wie Despoten. Friedrich Münch verwirklichte seinen Traum, gründete die „Teutsche Auswanderungsgesellschaft“ für mehr als 500 Ausreisewillige. In 1834 war es soweit, in kärglichsten Verhältnissen nach 7 Wochen angekommen,  siedelte er sich in Warren-Country in der Nähe von Missouri westlich von St. Louis an. Er wurde zu  einem einflussreichen Begründer der republikanischen Partei, war Abgeordneter und Senator des Staates Missouri. Doch seine Heimat vergaß er nie, 1859 kam er noch einmal zu Besuch in „sein geliebtes Heimatland“; in das  einsame Dorf wo er am „Bache, welche das Dorf durchfließt“ einst in den Wiesengründen spielte. Er starb am 14. Dezember 1881 und ist in Dutzow/USA begraben.

Beschäftigt man sich mit dem Gebäude der evangelischen Kirche so ist es ein ständiges Arbeiten  mit Erneuerung, Renovierung und Instandsetzung.  Wer selbst ein Haus hat weiß, das Tun hört nie auf.

Folgende Daten sind dazu überliefert:

1972 erfolgte die Umstellung der alten Koksheizung auf Ölheizung (erneuert in 1986 und 1992), ein Heizungskeller musste angelegt werden. 1974 waren größere Ausbesserungsarbeiten am Turm notwendig, da bei starkem Regen die Kirchendecke nass wurde, Ziegelsteine fielen bisweilen vom Dach und stellten eine Gefahr für die Kirchenbesucher dar. Auch das wurde in Ordnung gebracht und 80 qm Turmfläche neu geschiefert, die aus dem Jahr 1901 stammende Turmuhr wurde 1980 ersetzt, 1982 Dachrinnen erneuert und elektrische Leitungen verlegt.

Der Taufstein wurde in 1982 gekauft, seit 1990 steht eine Herz-Jesu-Figur auf einem Sandsteinpodest, diese war auf einer Wiese nahe der Autobahn gefunden worden.  

Die umfangreichsten Renovierungen  der Kirche innen und außen fand von Meistern der Gewerke und unter großer Mithilfe tatkräftiger Bürger 1997 statt. Sämtliche Arbeiten wurden alle ehrenamtlich geleistet. Dabei hat die Kirche auch eine neue Farbgebung sowohl im Innenraum als auch außen erhalten.

Die in der Kirche befindliche Heinemann-Orgel war am 14. Februar 1760 vollendet. Damit sie immer wieder mit Genuss gehört werden kann,  waren im Laufe der Jahre Reparaturen notwendig. Die letzte Orgelrenovierung war in 2000. Durch einen glücklichen Zufall konnten die Originalorgelpfeifen wieder eingesetzt werden. Die ursprünglichen Pfeifen wurden im 2. Weltkrieg eingeschmolzen. Da eine baugleiche Heinemann-Orgel ausgemustert wurde, sind die Pfeifen übernommen und restauriert worden.  Seither ist der Klang noch besser.

Sehr früh hat die Kirche Glocken besessen, aus 1532 ergeben sich dazu in Kastenrechnungen Hinweise. Die neu erbaute Kirche übernahm in 1756 die zwei Glocken der Vorgängerin, in 1861 kam eine dritte, die sogenannte kleine Glocke hinzu.

1944 mussten die mittlere und die kleine Glocke den Weg zu mörderischem Geschehen antreten. Doch bereits am 22. Oktober 1950 fand die feierliche Einweihung zweier neuer Glocken statt. Die mittlere, die Gebetsglocke, hat die Inschrift:

„KOMMT LASSET UNS NIEDERFALLEN UND ANBETEN DEN HERRN DER UNS GEMACHT HAT“.

Auf der kleinen Glocke ist zu lesen:

„UNSEREN IM KRIEGE GEFALLENEN BRÜDERN DIE GEMEINDE NIEDERGEMÜNDEN IM JAHRE 1950“.

Möge ihr Dreiklang  über die Dächer erschallen, ohne dass sie jemals wieder das Schicksal ihrer Vorgängerinnen erleiden müssen.

An folgende Pfarrer sei an dieser Stelle erinnert. Pfarrer Reichert (während des 2. Weltkrieges). Von ihm ist überliefert, er schwenkte die weiße Fahne um die Kapitulation am Kriegsende den Alliierten anzuzeigen.

Gleich mehrere evangelische  Generationen begleitete Ludwig Fischer. Sein Nachfolger war Ronald Lommel. Auch Thomas Schill war hier als Pfarrer tätig. Er und seine Ehefrau Ursula Kadelka leisten wertvolle seelsorgerische Dienste. Sie ist seit  Juni 1994 als Pfarrerin im Amt.

Unter ihr ist die Nieder-Gemündener evangelische Kirchengemeinde (ca. 480 Christen) seit 2017 ein Teil der Evangelischen Katharinengemeinde Gemünden mit den Orten Burg-Gemünden, Bleidenrod, Hainbach, Otterbach und Elpenrod geworden. Die Kirche selbst hat sich zu einem hervorragenden interkulturellen Treffpunkt, zu einem  350 Sitzplätze umfassenden Konzert- und Veranstaltungsort, der weit über die Ortsgrenzen hinaus bekannt ist, entwickelt; dies auch mit rühriger Begleitung der Flüchtlingsinitiative Gemünden.

Diese Zeilen wären unvollständig, würde nicht die evangelische Schwesternstation erwähnt. Bereits am 1. April 1919 richtete das evangelische Dekanat in Nieder-Gemünden eine Schwesternstation ein. Um der Station die Unsicherheit zu nehmen, wurde dazu unter Pfarrer Wörißhofer ein Frauenverein gegründet, der als Hauptaufgabe hatte: „für die Zukunft eine ordentliche Gemeindekrankenpflege zu schaffen“.

Mehrere Krankenschwestern versahen in Nieder-Gemünden Dienst am Nächsten, die letzte diensttuende Krankenschwester war Schwester Anneliese, sie bezog eine Wohnung im Pfarrhaus, 1969 verabschiedete sie sich. Noch heute erinnern sich Nieder-Gemündener an ihren gesundheitlichen  Beistand und ihre Fahrzeuge, sie erreichte ihre Patienten zuhause zunächst mit dem Fahrrad, später mit dem Moped und schließlich mit einer Isetta. Am Rande dazu eine Petitesse: Auch bei dem Schreiber dieser Zeilen half sie mit, ihn von Kinderkrankheiten zu heilen.

Seit 1995 gibt es die Diakoniestation Ohm-Felda, sie ist ein kirchlicher Zweckverband mit dazugehörigem Förderverein.

Mit Beginn des Jahres 1946 existiert in Nieder-Gemünden auch eine katholische Seelsorgestelle. Das katholische Leben war seit der Reformation erloschen. Mit den Heimatvertriebenen wuchs der Anteil der katholischen Bevölkerung. Im Kreis Alsfeld  war Nieder-Gemünden in 1946  die erste Pfarrei, in der ein katholischer Pfarrer seelsorgerische Arbeit leistete. Pfarrer Walter Sulke war am 6. 9. 1946 in Merlau eingewiesen und im Oktober 1946 nach Burg-Gemünden übergesiedelt. Zuvor war er Pfarrer in Spornhau im Altvatergebirge. Zu dieser damaligen Seelsorgestelle gehörten 16 Orte.

Sehr schmerzlich empfanden die katholischen Mitbürger das Fehlen eines eigenen Gotteshauses, dankbar erkannten sie an, dass die evangelischen Mitchristen ihre Kirche zur Verfügung stellten, ideal war diese Lösung jedoch nicht. Am 11.2. 1950 erwarb die katholische Kirchengemeinde von der politischen Gemeinde Nieder-Gemünden ein Grundstück zum Zwecke der Errichtung eines Kirchenbaues. Doch es stellte sich heraus, durch dieses Grundstück verlief die Hauptwasserleitung für Nieder-Gemünden, so dass das Vorhaben fast scheiterte. Erst durch den dann resultierenden Kauf  am 2. Juni 1954 eines anderen Grundstückes  aus privater Hand (dem jetzigen Standort)  wurde eine Lösung gefunden.

Dem unermüdlichen Einsatz von Walter Sulke ist es zu verdanken, dass am 10. Juli 1955 schließlich die Grundsteinlegung stattfand. Walter Sulke war es, der u.a. durch Lichtbildervorträge Spenden sammelte um Eigenkapital gegenüber den Kirchenbehörden nachzuweisen. Sehr spendenbereit waren die Vertriebenen auch selbst, so war bereits am 22. August 1955 Richtfest, das Pfarrhaus war bereits im Juni 1956 bezugsfertig. Die Kirchenweihe  erfolgte am 17. Juni 1956 durch den Diözesenbischof Dr. Albert Stohr, die am 18. Juni 1956 feierlich zu Ende geführt wurde. Pfarrer Sulke entzündete im Beisein der Bürger, den Gesangvereinen von Nieder-Gemünden und Burg-Gemünden, dem Bürgermeister Friedrich Wilhelm Schäfer und dem Landrat Dr. Mildner das ewige Licht um die Gegenwart in der heiligen Eucharistie anzuzeigen. Das Gotteshaus trägt den Namen: EPIPHANIA DOMINI- ERSCHEINUNG DES HERRN. Zu der Kirchengemeinde zählten 9 Ortsteile (alle Gemündener Ortsteile sowie Büßfeld und Bleidenrod)  mit 750 Katholiken.

Am 7. August 1984 trat Werner Heeg die Nachfolge von Pfarrer Sulke an.

1987 wurde der Altarraum der katholischen Kirche neu gestaltet.  2004/2005 erfolgte eine Komplettrenovierung der Kirche. Die im Jahr 2005 geweihte Pfeifenorgel von Orgelbaumeister Kilian Gottwald erfreut die Zuhörer bei Gottesdiensten und regelmäßig stattfindenden Konzerten.

2012 schlossen sich die Pfarrgemeinden Homberg, Kirtorf und Nieder-Gemünden zur Pfarrgemeinde „Johannes Paul II“ zusammen,  Pfarrer ist  Zbigniew Wojcik. In Gemünden wohnen heute 310 katholische Mitbürger, 87 davon in Nieder-Gemünden.

Nieder-Gemünden hatte auch eine blühende jüdische Gemeinde. Noch heute erzählt man von der Synagoge und der Judengasse, sie befand sich in dem heutigen Brühlweg.

300 Jahre zählten jüdische Mitbürger zum Dorfbild Nieder-Gemündens und lebten in Eintracht und Frieden mit den christlichen Nachbarn, ehe der nationalsozialistische Wahnsinn auch hier nicht ausblieb. Das älteste Dokument über jüdisches Leben in Nieder-Gemünden ist eine „Rechnung anno 1701“. Mit dem Leben der jüdischen Gemeinde hat sich  der Nieder-Gemündener Pfarrer Roland Lommel (1981-1994) auseinandergesetzt. Ihm ist es zu verdanken, dass viel über die Geschichten der jüdischen Mitbürger in unserem Dorf erhalten bleibt, dazu ist auch das Heimatbuch der Gemeinde Gemünden zu empfehlen.

Die Suche nach den Spuren der ersten Nieder-Gemündener Juden ist ein „wahres Puzzlespiel“. In einem alten Ortsbrandkataster aus dem Jahre 1777 werden zwei Häuser in der Obergasse (heute Brühlweg) genannt.

Anfang des 19. Jahrhunderts lebten in Nieder-Gemünden drei jüdische Familien, zwei „Jakob-Linien“ und ein weiterer Stammvater: Liebmann Moses. Wolf Jakob, geboren um 1770 hatte 4 Söhne, sie wohnten in der Obergasse, heutiger Brühlweg. An ihrem Haus war eine Synagoge angebaut. Willi Moses, Sohn von Liebmann Moses, verkauft 1925 sein Haus, das wegen Baufälligkeit vom Erwerber mit der Synagoge abgebrochen werden musste. Die Synagoge befand sich auf dem Grundstück des  heutigen Anwesens Namockel im Brühlweg. 

Um 1900 lebten in Nieder-Gemünden acht jüdische Familien mit insgesamt 38 Personen. Bis zum 1. Weltkrieg spielte der Antisemitismus keine Rolle. Doch schon 1933 vollzieht sich ein Wandel in der jüdischen Bevölkerung, in erster Linie werden wirtschaftliche Faktoren durch den Vormarsch der Industriegesellschaft genannt, sicherlich hat der nun auch stark auftretende aggressive Antisemitismus mit dazu beigetragen. In den Jahren 1904, 1907 und 1920 und 1925 verkauften jüdische Mitbürger ihre Häuser und wanderten u.a. nach Amerika, Argentinien und  Israel (Palästina) aus. Anna Chambre, die in 1953 in Nieder-Gemünden verstorben ist, wohnte auch während des Krieges im Dorf.   

Erfreulich ist, dass heute noch Nachkommen von jüdischen Mitbürgern  Nieder-Gemünden besuchen,  auch bestehen briefliche Verbindungen.

Zum Abschluss noch ein paar Sätze zu den Friedhöfen in Nieder-Gemünden.

Ein Friedhof war immer „umfriedet“ und war als Platz des Schutzes geweiht, nach den Gottesdiensten ging man zu den Gräbern um den Toten zu gedenken. So ist in einer Notiz aus 1741 zu lesen:

„Der Friedhof liegt um die Kirche… jeglicher zu Nieder-Gemünden und Otterbach seinen Platz vor sich und die Seinigen hat“.

Für die Erhaltung des Friedhofes war die Kirchengemeinde zuständig, dies änderte sich 1910; seit dieser Zeit ist es die bürgerliche Gemeinde.

Da jedoch die Mauer um diesen Platz  an der evangelischen Kirche zu verfallen drohte und zu klein war, wurde am 2. Mai 1831 der jetzige Friedhof  an der Homberger Straße eingeweiht.  Damit Angehörige (mindestens bis 1863) ihrer Toten gedenken konnten, wurde auf dem Anwesen Geisel/Redde für den alten Friedhof eine Sandsteintreppe errichtet.

Da Otterbach eine Kirchengemeinde mit Nieder-Gemünden bildete, bestatteten auch die Otterbächer bis 1827 ihre Toten in Nieder-Gemünden. Der Weg, auf dem die Toten nach Nieder-Gemünden getragen wurden, heißt noch heute der Totenweg.

Mit vielen Stunden an freiwilligen Arbeitsleistungen der Bürger Nieder-Gemündens wurde in den Jahren 1986/1987 eine Leichenhalle auf dem Friedhof errichtet. Seit Beginn der 2000  Jahre schmückt diesen Raum ein Relief, das von Ewald Wilhelm geschaffen wurde. Hierauf hat Ewald Wilhelm künstlerisch die Worte „Eli, Eli Lama asabthaum“ eingearbeitet: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen.“